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Warum uns das Ansprechen so schwerfällt

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Mann, der Angst hat

Stell dir vor: Du siehst eine Frau, die dich interessiert. Ein Teil von dir würde am liebsten hingehen, doch im nächsten Moment zieht sich dein Magen zusammen, dein Puls schießt hoch – und du bleibst wie angewurzelt stehen. Willkommen in der Realität der Ansprechangst.

Dieses Phänomen kennen viele Männer. Es ist kein persönlicher Makel, sondern etwas sehr Menschliches. Wir alle sind geprägt durch Erfahrungen, Erwartungen und gesellschaftliche Rollenbilder. Manche haben schon früh Zurückweisung oder Spott erlebt – und das nagt später am Selbstvertrauen.

Hinzu kommen Klischees wie: „Ein richtiger Mann ist selbstsicher, schlagfertig und immer erfolgreich beim Flirten.“ Solche Bilder setzen zusätzlich unter Druck. Kein Wunder also, dass Unsicherheit entsteht. Dazu gesellt sich die Ungewissheit: Hat sie überhaupt Lust auf ein Gespräch? Passt der Moment? Diese Fragen machen den ersten Schritt noch schwerer.

Der Schlüssel: Selbstwirksamkeit

Entscheidend im Umgang mit dieser Angst ist die sogenannte Selbstwirksamkeit – das Vertrauen, dass du etwas bewegen kannst, selbst wenn die Situation herausfordernd ist (Bandura, 1997).

Viele Männer bleiben im Kopfkino stecken und trauen sich gar nicht erst, aktiv zu werden. Dabei zeigt sich der Unterschied zwischen Männern, die vorankommen, und denen, die blockiert bleiben, nicht in der Abwesenheit von Angst. Der Unterschied liegt darin, ob man trotz Angst ins Handeln findet.

Das Ziel ist also nicht, die Angst zu unterdrücken oder wegzumachen, sondern mit ihr umzugehen – indem man sie bewusst wahrnimmt.

Angst verstehen statt bekämpfen

Der Therapeut Günter Schmidt spricht von „Differenzbildung“ – also davon, innere Unterschiede wahrzunehmen (Schmidt, 2004). Übertragen auf Ansprechangst bedeutet das:

  • Beobachten: Achte darauf, wann und wie deine Nervosität auftaucht. Ist sie stärker in großen Gruppen? Oder nach einer Abfuhr?
  • Unterschiede erkennen: Vielleicht fällt dir auf, dass Gespräche im Alltag leichter gehen als in Clubs. Oder dass du in guter Stimmung lockerer bist.
  • Abstand gewinnen: Wenn du die Angst wie von außen betrachten kannst, merkst du: „Sie ist da, aber sie bestimmt nicht mein Handeln.“

Dieser kleine Perspektivwechsel ist oft schon ein Gamechanger, weil er dir neue Handlungsspielräume eröffnet.

Vier Wege, um Selbstwirksamkeit zu stärken

  1. Kleine Experimente wagen
    Behandle jede Interaktion wie einen Testlauf: „Was passiert, wenn ich einfach nach der Uhrzeit frage?“ Selbst wenn du dich unwohl fühlst – du hast etwas ausprobiert. Und genau das bringt dich weiter.
  2. Gedanken neu sortieren
    Innere Dialoge beeinflussen deine Gefühle enorm. „Sie lehnt mich bestimmt ab“ blockiert dich. Formulierst du um in „Vielleicht freut sie sich, dass ich auf sie zugehe“, wird es leichter. Studien zeigen, dass solche Umdeutungen Ängste reduzieren können (Clark & Wells, 1995).
  3. Fortschritte festhalten
    Notiere kleine Erfolge: Augenkontakt, ein Lächeln, ein einfaches Hallo. Auch wenn es banal klingt – schwarz auf weiß zu sehen, dass du Schritte machst, stärkt dein Vertrauen (Neff, 2011).
  4. Übung im Alltag
    Sammle Erfahrungen in Situationen ohne Druck. Frag nach dem WLAN, mach einem Fremden ein Kompliment, sprich mit dem Barista. So gewöhnst du dich Schritt für Schritt an soziale Interaktionen (Segrin, 1999).

Jede kleine Übung erweitert deine Komfortzone – und du merkst zunehmend, dass du dein Erleben aktiv beeinflussen kannst.

Unterstützung nutzen

Diesen Weg musst du nicht alleine gehen. Es gibt viele Möglichkeiten:

  • Männergruppen oder Communities zum Austausch.
  • Podcasts, Bücher, Workshops für Input und Inspiration.
  • Coaching oder Therapie: Wenn die Ansprechangst dich stark belastet, lohnt sich eine therapeutische Begleitung. Wenn du grundsätzlich stabil bist, aber praktische Strategien fürs Dating suchst, kann Coaching die richtige Wahl sein.

Fazit

Ansprechangst ist kein persönliches Versagen, sondern eine nachvollziehbare Reaktion auf Erfahrungen und Erwartungen, die viele Männer kennen. Entscheidend ist, einen Schritt zurückzutreten, die Angst zu beobachten und aus dieser Distanz heraus neue Handlungsoptionen zu entwickeln.

Mit jedem kleinen Experiment wächst dein Vertrauen in dich selbst. Und je mehr du erlebst, dass du aktiv Einfluss nehmen kannst, desto kleiner wird die Macht der Angst.

Am Ende zählt nicht, dass jedes Gespräch perfekt läuft – sondern dass du dir selbst beweist: Ich kann handeln. Ich habe die Kontrolle.

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