„Wenn die Luft explodiert“
Teil fünf der Kolumne von Svea J. Held:
Ein drückend heißer Sommerabend in der Stadt. Zweites Date, bei einem schicken Essen, ein paar Gläsern Wein und angeregten Gesprächen. Jedes Lächeln von ihm, lässt ihren Magen hopsen. Jede kleine Berührung, lässt die Körper magnetisch werden. Während sich über der Skyline die Gewitterwolken auftürmen, wird das Knistern fast hörbar.
Es liegt diese ganz besondere Spannung in der Luft, die Haut kribbelt am ganzen Leib, die Brust will vor Verlangen zerspringen. Spät am Abend, machen sie sich auf den Weg zur U-Bahn, als es passiert. Der Himmel brüllt und öffnet die Schleusen. Es schüttet sintflutartig, als er es nicht mehr aushält. Mitten in einem Donnergrollen bleibt er plötzlich stehen, zieht sie an sich und küsst sie leidenschaftlich. Die Luft brennt, um schließlich zu explodieren.
Die seit Tagen aufgestaute Spannung, entlädt sich in einer Detonation der Gefühle. Das Herz hämmert, die Lippen prickeln, der Magen schlägt Räder. Der Kopf versucht gar nicht erst hinterher zu kommen. Menschen rennen haarscharf an ihnen vorbei, wollen sich vor dem Schauer retten, doch die beiden bekommen davon nichts mit. Sie knutschen unter der Straßenlaterne stehend, geschützt vom bunt getupften Regenschirm, den er über sie hält. Eingehüllt, von ihrer eigenen rosa Gewitterwolke.
Hach! Zu kitschig um real zu sein? Von wegen! Eine Freundin hat kürzlich diese perfekte Hollywood-Szene hingelegt. Und der Blitz ist definitiv eingeschlagen. Da kommt man direkt ins Schwärmen und schwelgt in Erinnerungen, an das erste Date mit dem geliebten Gatten, das in einer Kussorgie bis in die frühen Morgenstunden endete. Denn nichts schmeckt besser, nichts ist aufregender, als diese ersten Küsse, von denen man nicht genug bekommt. Wobei die diversen Mengen Wein und Bier dazu, auch nicht gerade übel schmeckten und Amor sicher auf die Sprünge halfen: Mut, abgefüllt in Flaschen. Angetrunken, liebestrunken, eingeschränkt zurechnungsfähig. Herrlich!
Wann genau wird aus diesen Erdbeben-Küssen eigentlich der abendliche Willkommen-zu-Hause-Schmatzer? Nicht, dass diese Küsse nicht auch schön wären, sondern vielmehr sogar ihre ganze eigene Intimität haben. Aber die Knie lassen sie nicht eben weich werden.
Sorry, einer muss es mal sagen. Ich denke, es ist ein großer Verlust, dass das intensive Küssen im Laufe einer Beziehung, in den Hintergrund tritt. Im Küssen steckt so viel Nähe, so viel Aufmerksamkeit und so viel Kribbeln, dass wir uns dies auch im Alltag unbedingt sichern sollten. Vielleicht schafft man irgendwann kein Gewitter mehr, aber auf jeden Fall einen warmen Sommerregen.
Ich werde heute Abend eine Flasche Wein öffnen, ein paar Kerzen anzünden und meinen Liebsten verführen – zum stundenlangen Dauerknutschen. Nur küssen! So wie damals, als wir uns nur mit einem saugglockenartigen Geräusch voneinander lösen konnten.
Also: Küssen! Punkt.
Hier findest du die anderen Teile der Kolumne:
Die erste Kolumne der Autorin Svea J. Held: Flirten trotz Beziehung
Die zweite Kolumne der Autorin Svea J. Held: Die Entdeckung der Faulheit
Die dritte Kolumne der Autorin Svea J. Held: „Ich kann schöne Menschen sehen“
Die vierte Kolumne der Autorin Svea J. Held: „Männer, und der Unterhosen-Radius“