„Ich kann schöne Menschen sehen“
Teil drei der Kolumne von Svea J. Held
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Neulich beim Bäcker. Ein Mann in blauer Arbeitskluft, mit grün gefärbtem Irokesen, Tattoos bis zum Hals. Daneben die hochgewachsene, aufgehübschte Blondine in Bürokluft. Sie bestellt ein Schokohörnchen, während er auf Kaffee und sein Frikadellen Brötchen wartet. Er beobachtet die Dame und ergreift plötzlich lautstark das Wort:
„Hömma! Weißte eigentlich, wat Du für ne Hammer Perle bist!“ Zahlreiche Köpfe drehen sich in seine Richtung, auch jener der Blondine, die ihn zuerst irritiert, dann lachend anschaut. „Danke, ich weiß.“ Er nickt zufrieden, nimmt sein Frühstück in Empfang und dreht sich Richtung Ausgang: „Gut. Dann einen schönen Tag für Dich.“ – „Ja, für Dich auch. Und übrigens: Geile Frisur! An der Uni hatte ich auch grüne Haare. Das kann ich in meinem Beruf leider nicht mehr.“ Er grinst, grüßt, und weg ist er. Sie nimmt ihr Papierbeutelchen entgegen und geht ebenfalls. Absolute Spitze. Die beste Szene seit Langem!
Einen attraktiven Menschen zu sehen, der mit einer tollen Ausstrahlung so banale Dinge tut, wie die Straße zu überqueren oder seinen Einkauf zu bezahlen, ist für mich ein Genussmoment im Alltag. Da schaut man gerne zwei Mal hin und denkt sich: „Boah, die sieht klasse aus!“ Manchmal, wenn es die Situation hergibt, sage ich sogar Dinge wie die Schuhe sind der Knaller oder coole Handtasche. Und die Menschen strahlen überrascht und erfreut, nehmen das Kompliment mit in den Tag.
Das ist immer wieder ein schöner Kontakt im Alltagstrott, in dem die Menschen aneinander vorbei hasten, jeder in seiner Welt unterwegs. Aber trotzdem muss ich mich jedes Mal überwinden und mich trauen, dieses Kompliment auszusprechen. Man will ja nicht aufdringlich oder freakig erscheinen. Viel häufiger bleibt es daher ungesagt. Wie schade! Mir selbst passiert es doch auch gelegentlich, dass mir jemand ganz unverhofft ein Kompliment macht. Toller Hut, tolles Kleid, tolle Haare. Und jedes Mal freue ich mich ehrlich gesagt scheckig und gehe ein bisschen aufrechter weiter. Über so freundliche Worte kann man sich stundenlang entzücken und von ihnen zehren – es ist nämlich alles andere als selbstverständlich, eines zu bekommen. Auch ein Ehemann ist hierfür im Übrigen keine Garantie. Aber wem sage ich das.
Die Szene von diesem ungleichen Paar neulich beim Bäcker, war für mich schon allein vom Zuhören eine Freude. Seinen Mut finde ich bewundernswert. Er gibt ihr einfach ein spontanes Kompliment mit in den Tag. Klare, eindeutige Aussage. Ohne Erwartungshaltung, ohne Hintergedanken, ohne blöde Anmache. So wie ein Kompliment sein sollte: Selbstlos und von Herzen. Und ich bin sicher, dass sie beim Verlassen des Ladens sogar noch ein bis zwei Zentimeter größer war, als ohnehin schon. Denn bei allem Selbstbewusstsein: So etwas saugt man auf wie ein Schwamm! Und man traut sich beim nächsten Mal vielleicht selbst, weil man weiß wie schön es ist.
Etwas Schönes zu betrachten ist immer erbaulich. Etwas Schönes zu sagen, ist ein Geschenk.
Also: Lasst uns die Augen offen halten, die schönen Menschen um uns herum sehen und ein paar Komplimente verschenken. Bestimmt kommt etwas Schönes zurück.
Dir hat die Kolumne gefallen? Dann sei gespannt auf den vierten Teil der Kolumne, in der es um Männer in Unterhosen gehen wird.
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