„Männer, und der Unterhosen-Radius“
Teil vier der Kolumne von Svea J. Held
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Der Schlüssel dreht sich im Schloss der Wohnungstür, das Herz macht einen Hüpfer: der Liebste ist zu Hause! Doch bevor man den ersten Satz miteinander wechseln kann, hört man das verdächtige Sssst, Geraschel und ein erleichtertes „Aah“. Zufrieden grinsend kommt er dann um die Ecke geschlendert, um mir einen Begrüßungskuss zu geben – in Hemd und Unterhose. „Erstmal von der Beinfessel befreien“, sagt er immer. Wenn man vor hat noch einkaufen zu gehen oder ein Restaurant aufzusuchen, sollte man mit dieser Ankündigung bereits ansetzen, wenn man den Schlüssel im Schloss hört. Sonst ist es zu spät.
Mit der Geschwindigkeit die Anzugshose abzulegen, stellt er jeden Stripper in den Schatten! Und ihn davon zu überzeugen, wieder eine Hose anzuziehen, ist eine größere Herausforderung. „Männer sind gar nicht so zum schweren Arbeiten gemacht. Mehr so zum auf dem Sofa liegen. In Unterhose. So fühlt sich ein Mann am wohlsten“, hat er mir kürzlich geduldig erklärt, nachdem ich zuvor gedrängelt hatte, am Abend doch noch einige Dinge im Garten zu erledigen. Man lernt nie aus.
Ich habe mich in letzter Zeit ein wenig umgehört und festgestellt, dass diese Sache mit den Unterhosen offenbar ein Massenphänomen ist. Meine vorsichtigen Interviews hierzu, brachten mir Erklärungen wie „frisches Lüftchen untenrum“, „maximale Bewegungsfreiheit, keine Hose die kneift“ bis zu „wenn man in Unterhose auf dem Sofa liegt, macht man seine Sachen nicht dreckig, wenn Pizza oder Schokoeis auf den Latz fallen“.
Insbesondere Letzteres finde ich einen sehr vorausschauenden, um nicht zu sagen rücksichtsvollen Gedanken. Beeindruckend! Wenn man den Aspekt der Ästhetik mal außen vor lässt, versteht sich. Ok, Männer, mir geht ein Licht auf: Ihr arbeitet hart und wollt Euch am liebsten nur spärlich bekleidet von diesen Strapazen erholen, um der Männlichkeit etwas Frischluft zu genehmigen, die den ganzen Tag über in der Beinfessel eingepfercht ist. Das sei Euch natürlich gegönnt! Wir Frauen werden für Euer Wohlgefühl natürlich über den modisch fragwürdigen Auftritt hinwegsehen. So wie Ihr über unsere Erkältungs-und-Sonntags-Schlabberhose. So machen Paare das eben.
Einen wichtigen Aspekt möchte ich allerdings zu bedenken geben: Es gibt nur einen bestimmten Radius, in dem sich Menschen in einer Unterhose bewegen sollten. In jedem Fall sollte dieser Radius auf die eigenen vier Wände beschränkt sein. Mal schnell zum Briefkasten, mal schnell die Blumen im Treppenhaus gießen, nur schnell dem Pizzaboten aufmachen, nur schnell das Päckchen annehmen, sind doch enge Freunde – ganz dünnes Eis!
So erweitert sich der Radius sukzessive, bis aus lässig, nachlässig wird. Und darüber können wir bei aller Liebe nicht hinwegsehen! Ihr seid unsere Männer und wir wollen stolz auf Euch sein! „Je mehr die Selbstachtung sinkt, desto größer wird der Unterhosenradius“, habe ich einmal gehört. Da ist was dran.
Der Nachbar, der morgens seine Zigarette im offenen (!) Bademantel gut sichtbar vor der Haustür raucht, die an einer Hauptverkehrsstraße entlang pilgernden Männer in Bademänteln und Badelatschen, die das Freibad aufsuchen, ja, all das sehe ich allmorgendlich auf meinem Weg ins Büro!, haben diese Grenze deutlich überschritten! Welche Frau möchte denn ihren Mann so außer Haus wissen?! Keine. Und was würdet Ihr wohl umgekehrt davon halten, wenn wir draußen in Slips rumflitzen? Eben. Außerdem möchten wir doch, dass der Anblick Eurer Unterhosen uns ganz exklusiv vorbehalten bleibt – genau wie Ihr.
Also: Schmeißt Euch mal wieder in die schönste Beinfessel und geht mit Eurer Liebsten vor die Tür. Und eine schöne Unterbuxe untendrunter für später kann ja nicht schaden!
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