Was passiert in einer Paartherapie?
Interview mit Paartherapeut Dr. Stephan Lermer: Was in der ersten Sitzung der Paartherapie geschieht, weshalb Pärchen sich zu ihm begeben und wie Paartherapie helfen kann.
FlirtUniversity: Lieber Herr Dr. Lermer. Zunächst einmal vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für das Interview nehmen. Viele Pärchen mit privaten Problemen möchten gerne in einer Paartherapie wieder stärker zueinander finden, haben jedoch Angst davor, sich aktiv für eine Paartherapie zu entscheiden. Warum denken Sie, zögern viele Paare so lange mit diesem Schritt?
Dr. Lermer: Es ist eine verständliche Angst vor dem Unbekannten, womit man womöglich in eine Psychoecke abgeschoben wird, als Versager dastehen könnte. Sich helfen lassen hat für einige immer noch ein „Gschmäckle“ von mangelndem Können, mangelnder Autonomie.
Auf der anderen Seite nehmen wir uns auch einen Profi, wenn wir Klavier- oder Golfspielen lernen wollen. Und gerade eine Beziehung zu führen, haben wir nirgendwo gelernt. Da sagen mir viele Paare am Ende der ersten Sitzung: war gar nicht schlimm, aber bereits einiges gelernt (gerade in puncto Kommunikation, die ja mit dem Zuhören beginnt und durch Respekt gekrönt wird). Und so kommen dann öfters Paare zu mir aufgrund der Empfehlung eines anderen Paares, das bereits bei mir gewesen war.
FlirtUniversity: Ab welchem Zeitpunkt halten Sie es denn für sinnvoll, eine Paartherapie zu besuchen?
Dr. Lermer: Wenn viel Zeit und Energie durch Streit oder Schweigen etc. vergeudet wird, wenn das Paar merkt, dass es alleine nicht weiterkommt. Wenn sich beide womöglich durch wiederholte Systemprobleme immer wieder ineinander verfangen, oder das Gefühl haben, der andere versteht mich gar nicht.
Oder wenn massive Kränkungen eine konstruktive Kommunikation gar nicht mehr möglich machen, dann ist es Zeit für eine Paarberatung oder Paartherapie. Oder auch, wenn nach einem Seitensprung das Vertrauen für einen Neuanfang aufgebaut werden muss. Wobei der Seitensprung vielleicht nur Symptom einer kranken Beziehung war, was beide womöglich mitverursacht haben.
FlirtUniversity: Können Sie uns erklären, was in der ersten Sitzung in einer Paartherapie genau gemacht wird?
Dr. Lermer: Die erste Sitzung ist eine der wichtigsten. Hier kommt das Paar zu zweit und ich erfahre, wie die Situation jeweils vom Partner geschildert wird. Als ausgebildeter Gruppentherapeut kann ich problemlos auch die Regungen und Reaktionen des zuhörenden Partners verfolgen, wenn einer spricht.
Interessant dabei ist auch die Tatsache, dass das Paar mich bereits etwas kennt, von Vorträgen, Büchern oder Youtube-Interviews, das Paar für mich aber nicht selten vollkommen neu und ohne Hintergrundwissen für mich bei mir erscheint.
Wir haben bewusst auf www.eheschule.de eine ausführliche Beschreibung des bewährten Procederes dargestellt, wo auch der Einsatz des wissenschaftlichen Persönlichkeits-Fragebogens Gießen-Test betont wird, der schon allein durch die Abbildung von Selbst- und Fremdsicht oft einiges erhellt.
FlirtUniversity: Stimmt es, dass die Idee eine Paartherapie zu beginnen, meist von der Frau ausgeht? Warum denken Sie, ist dem so? Spürt der Mann nicht ebenfalls, dass es viele Schwierigkeiten in der Partnerschaft gibt?
Dr. Lermer: Es war früher überwiegend so, dass die Frau den Termin machte mit dem Nebensatz „hoffentlich kommt er mir mit“. Heute sind es genauso häufig die männlichen Partner, die den Erstkontakt herstellen. Ich führe ja als zweiten bzw. dritten Termin jeweils ein Einzelgespräch mit nur einem Partner durch, wobei ich die Schweigepflicht natürlich auch gegenüber dem Partner besonders betone. Hier lerne ich oft ganz neue Sichtweisen kennen, die im Dreiergespräch keinen Raum gefunden hatten.
FlirtUniversity: Was raten Sie, wenn die Frau gerne eine Therapie beginnen möchte, aber er sich weigert? Kann in diesem Fall eine Therapie überhaupt Früchte tragen?
Dr. Lermer: Hin und wieder kommt es vor, dass ich eine Paarberatung mit nur einem Partner mache. Mir fällt dazu ein Fall ein, wo die Frau über Jahre zu mir kam. Wovon der Ehemann nie etwas erfahren hat.
Im Lauf der Zeit hat sie die Ehe neu geregelt, ihren Mann gecoacht (der von Psychologie nichts hält), zur Entlastung ihres Mannes einen Geschäftsführer eingestellt, ihren Sohn durchs Studium begleitet und ihn dann in der Firma so positioniert, dass er nach Studienabschluss die Position des Vaters übernahm. Heute ist die Firma etwa zehn Mal so groß und sie feiert gemeinsam mit ihrem Mann einen vorgezogenen Ruhestand, zieht aber gerne immer noch an einigen Fäden.
FlirtUniversity: Fällt es den Paaren schwer, sich Ihnen zu öffnen?
Dr. Lermer: Eine Beobachtung von mir ist, dass die Frauen meist aus Familien stammen, wo mehr die Probleme auch angesprochen wurden. Klar, die Mutter hatte eben mindestens eine Tochter, also haben die Frauen als Beziehungswesen auch kommuniziert miteinander. Der Mann stammt oft aus einer Familie, wo keine Schwester da war, also die Projektwesen Männer in der Mehrzahl waren.
Da wurden Probleme nicht verbalisiert. Höchstens zweimal im Jahr, beim alljährlichen Streit im Urlaub oder an Weihnachten. Das war dann schlimm für alle. Also lernte der Sohn nicht wie seine Frau, dass man zur Konfliktlösung Meinungsverschiedenheiten austragen muss, sondern sah darin sofort einen schlimmen Streit. Also schweigt er lieber. Aus meiner Website www.lermer.de wissen die Paare, dass ich auch Psychotherapie und Coaching anbiete. Das nimmt einer der Partner dann gelegentlich zusätzlich in Anspruch, es verträgt sich voll miteinander.
FlirtUniversity: Können Sie sagen, bei wie vielen Paaren die Therapie Erfolg hat?
Dr. Lermer: Die Quote liegt bei etwa 75 Prozent, wo die Paare beschlossen haben weiterzumachen, und zwar auf einem höheren Partnerschafts-Qualitäts-Niveau mit mehr Vertrauen und besserer Kommunikation.
Einmal habe ich aber auch ein sehr junges Paar erlebt, wo die Trennung der Erfolg war. Keiner wollte dem anderen weh tun, doch tatsächlich waren beide erlöst, dass sie durch die Hilfe der Paartherapie erkannt haben, dass sie einander nur blockieren. Sie haben sich bei mir im Besprechungsraum glücklich umarmend getrennt und sind Freunde geblieben, aber halt nicht mehr.
Ein anderer Fall, ruft mich ein 28-jähriger Mann an und sagt einen schönen Gruß von seinem Vater, ich hätte ja vor 15 Jahren die Ehe seiner Eltern so nachhaltig erfolgreich getrennt, er, der Sohn solle jetzt zu mir zum Coaching kommen. Nun, Trennung ist nicht immer so erfolgreich. Es gibt schon auch Trennung mit Tränen.
Oder, dass die Frau mir im Einzelgespräch gesteht, dass sie innerlich längst gekündigt hat, ihm gegenüber die Trennung aber nur in meinem Beisein anzusprechen wagt, aus Angst, er könne ihr oder sich etwas antun. In einem dieser Fälle habe ich ihr im Einzelgespräch beigebracht, wie sie den Schlagbolzen seiner Waffe abfeilen kann, dass er im Worst-Case-Affekt zwar abrücken, aber nicht schießen kann. (In einem anderen Fall hat sie seine Waffe ohne sein Wissen in unserem Tresor deponiert).
Nun, durch die Quote von 75 Prozent verbesserten Beziehungen aber kann ich sagen, dass die meisten Paare, ganz im Sinne der Dialektik, durch die Krise, wie durch eine Art Schuss vor den Bug, erst aufgewacht sind: Dass eine Partnerschaft keine Hängematte ist, sondern eher mit einem Garten zu vergleichen ist, den man liebevoll pflegen muss, wenn man von ihm Lebensfreude ernten will.
FlirtUniversity: Lieber Herr Dr. Lermer, vielen Dank für dieses ausführliche Interview.
Im TV über Glück: Der renommierte
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