Immer häufiger gibt es bei euch in der Familie Krach.
Mittlerweile hast du es satt, nach deinem Teilzeitjob nach Hause zu kommen, schnell etwas für deine Kinder zu kochen und direkt wieder mit schlechter Stimmung konfrontiert zu werden. Du überlegst dir sogar schon, ob du wieder Vollzeit arbeiten gehen sollst, damit du der miesen Laune zu Hause ausweichen kannst. Dabei ist da natürlich auch keine Lösung, und das ist dir bewusst. Aber deine pubertierende Kinder rauben dir den letzten Nerv, ständig wird gestritten, gegenseitige Anschuldigungen fallen und überhaupt, selbst du wirst angegriffen und angeschrien, dabei sind es doch deine Kinder.
Und dein Mann ist auch keine Hilfe, ganz im Gegenteil. Kommt er abends nach Hause, wird alles noch schlimmer. Auch er ist mit den jugendlichen Kindern überfordert, zudem schleppt er immer noch den Stress von der Arbeit mit nach Hause. Schnell explodiert es daher beim Abendessen und du sitzt wieder weinend in der Küche und fragst dich, was du eigentlich falsch gemacht hast.
Du? Du hast gar nichts falsch gemacht! Ihr macht einfach, gemeinsam als eine Familie eine schwierige Zeit durch. Mittlerweile besucht ihr aus diesem Grund auch eine Familientherapie. Neulich wurde euch dort vorgeschlagen, es einmal mit einer Familienaufstellung zu versuchen. Wir wollen dir erklären, worum es sich dabei handelt.
Horst Wenzel bei Kika – So kannst du richtig flirten
Folge auch unserem YouTube Kanal
Was passiert bei einer Familienaufstellung?
Eine Familienaufstellung findet längst nicht immer in der eigenen Familie statt. Stattdessen werden diese oft bei Gruppentherapien angewendet. Andere Teilnehmer sollen bestimmten Familienmitgliedern entsprechen, und werden vom Betroffenen so im Raum platziert, wie seiner Meinung nach er das Verhältnis zu diesen und das Verhältnis der Personen untereinander empfindet.
Eine Familienaufstellung kann durchaus dafür dienen, schwelende Konflikte innerhalb einer Familie ans Tageslicht zu bringen und daran zu arbeiten. Mithilfe der Familienaufstellung werden sich die Betroffenen über ihre eigene Rolle innerhalb der Familie bewusst und erkennen ihr eigenes problematisches Verhalten. Dies führt dazu, dass gemeinsam mit dem Therapeuten für jede Person neue Verhaltensmuster gefunden werden können, welche Konfliktsituationen entschärfen.
Wann ist eine Familienaufstellung erfolgsversprechend?
Wichtig ist, dass Familienaufstellungen nicht in Großgruppen von 10 bis 20 Leuten stattfinden. Diese sind meist nur so inszeniert, dass sie ein großes Publikum anziehen sollen, welche nur teilnehmen wollen, um durch ein wenig Spektakel einen spannenderen Alltag zu bekommen.
Zudem ist es wichtig, das der Therapeut den Familienmitgliedern immer vor Augen führt, dass es sich bei einer Familienaufstellung nicht um ein Spiel handelt. Stattdessen geht es darum, etwas an der familiäre Situation zu verbessern. Daher sollten auch keine Aktionen oder nach keine Sprüche währenddessen einfach leichtfertig geäußert werden.
Auch, wenn der Therapeut sehr einfühlsam ist und in jeden seiner Klienten sich einfühlt, zeigt dies, dass ihr an einen seriösen Therapeuten geraten seid. Versucht er stattdessen während der Aufstellung, einzelnen Personen seine Sichtweise aufzudrücken, solltet ihr schnellstens die Therapie abbrechen und euch einen neuen Therapeuten suchen.
Weshalb gibt es an der Familienaufstellung so viel Kritik?
Die klassische Familienaufstellung wurde von Hellinger in den 90er Jahren entwickelt. Er war der Meinung, dass jedes Familienmitglied eine gesunde Verbindung zu den anderen Mitgliedern hat. Sind diese Verbindungen gestört, kommt es zu psychischen Problemen, wie beispielsweise Depressionen. Zudem vertritt Hellinger die Meinung, dass in jeder Familie eine bestimmte hierarchische Ordnung herrscht. Hierbei ist der Vater immer das Familienoberhaupt, an zweiter Stelle folgt die Frau und danach kommen die Kinder.
Wird diese hierarchische Ordnung gestört, leidet das Familienheil. Dies könne neben psychischen Krankheiten auch körperliche Krankheiten wie Krebs hervorbringen. Das Problem bei der Familienaufstellung nach Hellinger ist dessen Umsetzung. Er inszeniert die Familienaufstellung stets wie ein dramatisches Bühnenspektakel. Schnell kommt es hierbei zu abstrusen Schuldzuweisungen, z.B., dass eine Frau deswegen Krebs bekommen habe, weil sie ihren Mann verlassen habe und ihm damit Unrecht angetan hat.
Aufgrund dieser Vorgehensweise distanzierte sich auch die Deutsche Gesellschaft für Systemtherapie von Hellinger. Sie kritisieren, dass Hellingers Familienaufstellung nicht in einer längeren Therapie erfolgt, sondern es lediglich, bei einem einzigen Treffen, zu ebendieser komme. Zudem seien die Aufstellungen demütigend, und die Betroffenen werden danach mit ihrem Gefühlswirr-Warr alleine gelassen, da sie sich schließlich in keiner Therapie bei ihm befinden, sondern nur dieses eine Treffen gebucht haben.
Die systemische Familientherapie ist heute sehr verbreitet und erfolgsversprechend:
Die systemische Familientherapie betrachtet die Familienmitglieder nicht einzeln für sich, sondern sieht diese allesamt als Teile eines funktionierenden Systems, nämlich der Familie. Neben der Familie bezieht die systemische Familientherapie auch andere Menschen in die Behandlung mit ein, welche für die Betroffenen wichtig sind und häufig in deren Alltag vorkommen. Besonders erfolgreich ist diese Art der Therapie bei Essstörungen, somatischen Erkrankungen sowie bei psychischen und Wahnhaften Krankheiten.
Sollte euch im Verlauf eurer Familientherapie eine Familienaufstellung begegnen, müsst ihr also nicht verunsichert sein. Denn diese findet in einem geschlossenen Rahmen statt und ist in euren regelmäßigen Treffen eingebettet. Diese Art der Familienaufstellung hat nichts mit den Veranstaltungen zu tun, welche regelmäßig von Hellinger abgehalten wurden! Und jetzt wünschen wir euch viel Kraft und Durchhaltevermögen, dass ihr gemeinsam an euren Problemen arbeitet.
Hier findest du weitere Beiträge, die dich interessieren könnten:
Unsere Themenwoche „Familienplanung“: Brauchen wir eine Familientherapie?
Alles über die Paartherapie – Paartherapeutin Regina Hage im Interview