Wie ich meine Komfortzone verlassen habe:
Samstagabend, es ist soweit. Eben hat es an der Tür geklingelt und meine Jungs stehen vor der Türe. Heute sind wir zu fünft. Wir hatten schon lange keinen Männerabend mehr und hatten deswegen letzte Woche beschlossen, diesen wieder regelmäßig einzuführen.
Ich freue mich auf den gemeinsamen Abend. Endlich wieder lustige und urkomische Geschichten von meinen Freunden, die ich noch aus der Schulzeit kenne. Ich lege ein paar Chips auf den Wohnzimmertisch, das Bier ist Gott sei Dank schon kalt. Wir unterhalten uns prächtig und haben eine Menge Spaß bei unseren Geschichten von früher.
Es ist kurz vor 23 Uhr und Stefan, welchen ich von allen nun am längsten kenne, wirft die Frage in die Runde, in welchen Club wir noch gehen wollen. Ich schlage eine Kneipe bei mir um die Ecke vor. „Echt die? Och nö. Keine Lust. Da ist ja nix los. Mir ist was mit Tanzfläche lieber.“ Nach kurzer Diskussion haben wir uns schließlich entschieden und machen uns fertig.
Schnell die Schuhe angezogen und dann geht es raus ins Nachtleben. Tanzen war ich nun wirklich schon lange nicht mehr. Die letzten Male haben immer auf die gleiche Art und Weise geendet. Meine Kumpels haben mit Mädels getanzt während ich etwas gelangweilt an der Bar gesessen habe. Spontan Frauen Ansprechen ist nicht so mein Ding. Körbe bekommen und anschließend von Stefan dafür ausgelacht werden? Och nö, das kann ich mir sparen.
Nach zwei Stationen mit der S-Bahn sind wir auch schon angekommen. Vor der Türe ist eine recht kurze Schlange. Schnell die Jacke an der Garderobe abgegeben und dann werden erst einmal Drinks bestellt. Ordentlich voll heute.
Die Abende mit vielen Leuten waren in der Vergangenheit immer die besten. Oft treffe ich Kollegen oder andere Leute aus der Schul- und Studienzeit mit denen ich mich jedesmal königlich amüsiere. Während ich so ein wenig in meinen Gedanken verloren bin bekomme ich mit, wie Stefan schon ein Mädchen im Arm hält. Stefan halt. Kommt immer und bei jeder Frau gut an. Bei mir ist das nicht so.
Nicht dass ich mir keine Frau an meiner Seite wünsche, aber bisher fehlt mir einfach noch die Richtige. Und dafür müsste ich erst einmal Frauen kennenlernen. Das ist leider der Punkt, an welchem es dann eher bei mir scheitert. Stefan winkt mich zu sich und brüllt mir ins Ohr. „Ey, die neben mir, das ist die Nadine. Die hat noch eine braunhaarige Freundin, die dahinten mit dem Zopf. Geh mal zu der hin!“ Ich drehe mich kurz um und erblicke auch schon die Freundin.
Aber hingehen und ansprechen? Auf keinen Fall. Was soll ich denn sagen? Ein kurzes „Hallo“ würde ich noch heraus bekommen, aber danach? Bei sowas bin ich leider planlos. Keine Ahnung über was ich mit Frauen reden kann, außer über Schuhe und Handtaschen. Und bei den Gesprächsthemen kann ich leider wirklich nicht sonderlich gut punkten.
Ich gehe zurück zu den restlichen Jungs und stoße mit Paul an. Paul grinst wegen Stefan. Paul ist schon seit über vier Jahren fest vergeben und hat sich letzte Woche mit seiner Sarah verlobt. Sehr zu unserer Freude. Sarah ist eine Knaller Frau, besser hätte Paul es wirklich nicht erwischen können. Der alte Glückspilz. Während Paul sich mit den anderen unterhält habe ich plötzlich das Gefühl, dass sich ein Blick in meinen Rücken bohrt.
Ich drehe mich um und erhasche noch den Blick einer bildhübschen Frau. Paul hat es auch gesehen. „Mensch, geh doch zu ihr hin. Die ist richtig hübsch und findet dich wohl ganz gut, die hat dich gerade voll lange angesehen.“ Er sieht meinen Blick. „Ach komm, vergiss Sabrina. Die hat dich damals ziemlich mies abserviert, aber so sind ja nicht alle Frauen.“ Paul ist mal wieder lustig. Er ist ja glücklich vergeben. Und er versteht einfach nicht, wie sehr mit Sabrinas Aktion damals das Herz zerrissen hat.
Seitdem vermeide ich den Kontakt zu Frauen. Das ist jetzt zwei Jahre her. Eigentlich hat er schon Recht. Aber über was soll ich mit einer fremden Frau reden? Ach quatsch reden, wie soll ich sie überhaupt ansprechen? Ich wende meinen Blick ab bevor sie noch merkt, wie dümmlich ich sie anstarre.
„Matthias!“ Paul redet mit mir. „Matthias, du musst jetzt mal dein Sabrina-Trauma überwinden. Geh doch zu ihr hin und sprich sie an. wann hast du das letzte Mal mit einer fremden Frau geredet, geschweige denn geflirtet?“ Ich habe plötzlich das Gefühl, dass eine Art Leistungsdruck auf mir liegt. Meine Hände sind schweißnass weil ich weiß, dass Paul nicht eher aufhören wird, bis ich zu ihr gehe. „Da! Oh man, die hat dich schon wieder angeschaut! Warum stehst du hier noch?“
„Verdammt Paul! Nerv nicht!“ Ich drehe mich wieder zur Bar, aber Paul kann es nicht lassen und rüttelt an meiner Schulter bis ich das Gefühl habe in einer Achterbahn zu sitzen. „Los, du weißt, dass ich nicht aufhöre!“ So ein Mist aber auch. Was nun? Ich drehe meinen Körper in ihre Richtung, das ist ja schon mal ein Anfang. „Man, das sind keine 10 Meter, das schaffst du schon.“ Ich ringe noch mit mir, um irgendwie meine Ansprechangst überwinden zu können.
Doch plötzlich verspüre ich einen kräftigen Schub von hinten und werde von Paul ziemlich unsanft in ihre Richtung gestoßen. Frauen anmachen im Club, wie ging das nochmal? Habe ich das überhaupt einmal in meiner Vergangenheit getan? Nicht, dass ich mich erinnern könnte. In meinem Hals bildet sich ein dicker Kloß. Wie soll ich denn so überhaupt auc nur ein Wort rausbringen? Ich bin schon fast da, da verspüre ich den heftigen Drang auf dem Absatz kehrt zu machen und wieder zur Bar zu gehen. Aber ich weiß, dass Paul mir im Nacken sitzt und zusieht.
Diese 10 Meter fühlen sich für mich an wie die letzten Schritte zum Galgen. Ich muss völlig apathisch aussehen, denn die Freundinnen der hübschen Dame drehen sich zu mir um und grinsen. Na toll. Ich bin am Ende. Und nun? Die Freundinnen kichern und ziehen am T-Shirt von der süßen Blonden, die mich angesehen hatte. „Laura, Laura! Der Typ den du angesehen hattest.
Der steht hinter dir!“ Schlechter kann es ja wohl nicht laufen, oder? Sie dreht sich zu mir um und blickt mir in die Augen und grinst dabei frech. „Hey, dass ist ja cool, dass du dich doch noch zu mir getraut hast nachdem dein Kumpel dich schon in meine Richtung gestoßen hat.“ Ich grinse ein wenig verlegen. „Tja, weißt du…Ich saß da ganz gemütlich mit meinen Jungs und dann habe ich deinen Blick gesehen. Ich bin übrigens Matthias.“
Manchmal lohnt es sich einfach doch, sich zu überwinden, auf diese Art konnte ich meine eigene Komfortzone verlassen. Oh, du willst wissen, wie der Abend geendet hat? Na na, das kann ich hier nicht verraten, die restliche Geschichte ist nicht mehr ganz jugendfrei.
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