Generation Tinder
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Dieser Tinder Report offenbart, warum die Generation Tinder in einer emotionalen Eiszeit feststeckt. Dabei beschreibt er drei spannende Veränderungen, die unser heutiges Liebesleben zunehmend prägen:
- der Fakt, dass die Deutschen immer mehr Zeit benötigen,
um sich fest in einer Partnerschaft zu binden
- die Tatsache, dass die Ansprüche an einen Partner gestiegen sind
- und schließlich das konservative Dating-Dogma des 20. Jahrhunderts
,,kein Sex vor der Ehe“ wird zu „keine Beziehung vorm Sex“
Warum sind wir Deutschen
heutzutage viel länger single?
Fakt ist, dass wir im Durchschnitt die meiste Zeit unseres Lebens als Single verbringen.
Mit wenig Liebe, Zärtlichkeiten und Sex, wie es liebende Pärchen haben.
Statt die Vorteile des Singlelebens in vollen Zügen zu genießen, sehnen sich die meisten einsamen Herzen nach Zweisamkeit und stürzen sich in eine endlose Partnersuche. Noch nie gab es in Deutschland so viele Menschen ohne feste Partnerschaft. Deshalb begeben sich auch 2016 wieder Millionen Singles auf die Suche nach ihrer großen Liebe fürs Lebens und registrieren sich im Zuge dessen auf unzähligen Partnerbörsen. Doch woran liegt es, dass wir derzeit viel länger benötigen bis wir einen festen Partner finden, als damals?
Gesellschaftlicher Werte-Wandel
Zum einen liegt die Singlemania an veränderten Wertvorstellungen im Liebesleben und der gestiegenen Emanzipation der Frauen, welche im neuen Jahrtausend nochmal mehr sexuelle Selbstbestimmung und Eigeninitiative in den weiblichen Dating-Alltag gebracht hat.
Es ist nicht weit hergeholt, dass viele Männer schnell mit den voll emanzipierten Damen überfordert sind. Gut gebildete Frauen, die selbstbewusst durchs Leben schreiten und dabei ihre Karriere fest im Blick haben, die ihr eigenes Geld verdienen und es für ihre Wünsche selbst ausgeben möchten. Diese Frauen haben natürlich auch einen erhöhten Drang nach Freiheit und Selbstbestimmung als die junge Mutter hinterm Herd in den 60iger Jahren.
Nach der sexuellen Revolution hat sich über die Jahrzehnte das Selbstbild der Frau komplett neu definiert. Anders als viele behaupten ist dieser Prozess bis heute nicht abgeschlossen. Doch nach den 70igern wurde es eher ein schleichender Prozess, der mal mehr mal weniger kämpferisch geführt wurde.
Ungleichgewicht der Erwartungshaltungen
Die aktuelle Shell-Studie belegt, dass mehr als 70 % der Männer sich ausdrücklich keine emanzipierte Partnerin wünschen, jedoch mindestens 80 % der Frauen einen partnerschaftlichen Mann wollen, der sie in ihrer emanzipierten Rolle akzeptiert. Dieser enorme Gegensatz in der Erwartungshaltung erschwert beiden Geschlechtern die Partnersuche.
Für 80% der Frauen stehen Karriere und Kinder im Mittelpunkt, jedoch sehen das laut Shell-Studie lediglich 25% der männlichen Bevölkerung so. Die restlichen 75% der Männer möchten gern der Alleinverdiener im Hause sein. Dabei hat die Realität die Männer an dieser Stelle zum Glück bereits überholt: Es gibt inzwischen einige Frauen, die weit mehr verdienen als ihre männlichen Kollegen.
Auch wenn das immer noch massive Gefälle in der Einkommensverteilung zwischen den Geschlechtern ein trauriger Zahlen-Zeuge der schleichenden Annäherung im real gelebten Status spielt. Die Differenz verdeutlicht, dass der Prozess einer kompletten Emanzipation in Deutschland keinesfalls als abgeschlossen betrachtet werden kann, solange Frauen im Schnitt nicht annähernd so viel verdienen wie Männer. Aktuell sind es für die gleiche Arbeit lediglich zwei-Drittel des Einkommens. Von der branchenübergreifend durch Männer dominierten Besetzung von Führungspositionen ganz zu schweigen.
Auswirkungen auf das Liebesleben
Unser Sexleben, aber auch Familiengründungen verändern sich, während die Generation unserer Großeltern noch mit dem Sichern der niederen Bedürfnissen der Maslow’sche Bedürfnispyramide (siehe Schaubild) beschäftigt waren und damit sowohl die Auswahl der perfekten Partnerschaft als auch das Streben nach Selbstverwirklichung in den Hintergrund rückten.
Heutzutage streben Männer als auch Frauen nach Selbstverwirklichung, je individueller desto besser. Selbstverständlich gehört zu diesem perfekten Lifestyle auch die perfekte Partnerschaft. Wodurch immer mehr Singles diese Aufgaben zu einer endlosen Suche werden lassen. Für manche eine Sisiphos-Aufgabe, andere müssen heutzutage wegen der gestiegenen Individualität des Partners mehr in eine Beziehung investieren und für ein gemeinsames Leben in Harmonie mehr Kompromisse finden.
Gestiegene Selbstverwirklichung erhöht
die Anforderungen an Ehen und Beziehungen
Beide Partner sind mehr gefordert und müssen immer ein wenig mehr zurückstecken und für die Individualität des anderen ,,aufopfern“, damit eine stabile feste Beziehung entstehen kann. Dies beflügelt die neue Unverbindlichkeit der Generation Tinder, während zur Zeit viele Verfechter der romantischen Liebe leiden. Auf den optimalen Umgang mit dieser neuen Situation werden wir im Folgenden noch im Detail zu sprechen kommen.
Übrigens sind Single Frauen häufiger in Führungspositionen als vergebene Frauen, mit einem Anteil von 17 % im Vergleich zu 13 %. Die Differenz zeigt, dass der Trade-off zwischen Beziehung und Beruf in der Praxis oft nicht zu funktionieren scheint.
Der Bochumer Buchautor und Blogger Nils Terborg beschreibt in seinem Buch „Beziehung im Stress?: Mit Work-Love-Balance in 7 Schritten zu mehr Zeit für deine Partnerschaft„, wie es trotzdem gelingen kann Zeit für die Liebe und für eine steile Karriere unter einen Hut zu bringen. Sein Kredo: Kommunikation in der Partnerschaft ist alles.
Der Ursprung von Bindungsproblemen
Woran liegt es, dass wir uns mehr Zeit
lassen eine Beziehung einzugehen?
Die Entwicklung der letzten zwei Jahrzehnte führte beim Deutschen Michel und seiner Michaela dazu, dass sich beide mehr Zeit nahmen einander zu finden. Denn die Ansprüche an eine Partnerschaft sind massiv gestiegen: „Es könnte ja noch eine bessere vorbeikommen“, denkt sich Michel und legt sich lieber nicht fest. Sein Beziehungsstatus auf Facebook bleibt auf „es ist kompliziert“.
Auch Michaela hat es Dank des Online Dating-Booms der letzten Jahre einfacher, an Verabredungen zu kommen. Sie fragt sich, ob dieser Michel, den sie letzte Woche in Kreuzberg ertindert hat, wirklich für eine feste Partnerschaft taugt und so begegnen sich beide lieber cool und unverbindlich. Die Romantik bleibt dabei leider oft auf der Strecke: Man hat wilden Sex, Unternehmungen zu zweit, sowie lustige Gespräche. Emotional jedoch herrscht zwischen beiden Eiszeit. Gefühle sind schwieriger, denn sowohl Michel aus als Michaela fürchten die erneute Verletzung.
Die Angst vorm verletzt werden hemmt die romantische Liebe
Fast jeder deutsche Single trägt schon mindestens eine tiefe Narbe in der Innenseite seines Herzens. Durch die gestiegene sexuelle Freizügigkeit im zwischenmenschlichen Verkehr war fast jeder schon in einen amourösen Unfall verwickelt.
Jeder wurde schon einmal verletzt, jeder musste eine schwere Verletzung durch den oder die Ex-Partnerin erfahren. So sind viele heutige Verhältnisse von Bindungsunfähigkeit und Eifersucht zerfressen.
Man könnte meinen, die Generation Tinder tickt nach dem Prinzip, wer als erstes Gefühle zeigt, hat verloren. Dabei ist es doch gerade die Verletzlichkeit selbst, welche der wahren Liebe ihren Wert gibt.
Zum einen liegt die neue Unverbindlichkeit der Generation Tinder an der gestiegenen Auswahl durch Partnervermittlungsportale und immer neue Online Dating Apps, die uns eine breit gefächerte Auswahl an Optionen für Verabredungen versprechen.
Digitaler Trugschluss
Die moderne Technik verlockt täglich Millionen Menschen ihre Zeit damit zu verbringen von Links nach Rechts zu wischen, hoffnungsvoll Superlikes zu verteilen und stundenlange Chats mit Personen zu führen, die sie niemals im realen Leben treffen werden. Den Dating-Zombies bleibt auf den nächsten perfekten Match zu hoffen.
Statt anderen Menschen beim Kennenlernen in die Augen zu schauen, versteckt sich unsere Generation lieber hinter ihrem Smartphone. Das Motto der Dating-App Tinder des US-Amerikanischen Unternehmens Match.com ist „Neue Leute anonym mögen oder ablehnen“. Das Zauberwort für Tinderella und Tinderillos ist anonym. Sodass bloß niemand einen Korb mitbekommt.
Urängste bestimmen unser Dating-Leben und so ist nicht nur die Furch vor Verletzung prägend in modernen Beziehungen, sondern auch schon beim Flirten ist eine ganze Partykultur gehemmt aufgrund einer Angst vor der Zurückweisung und vor peinlichen Momenten. Diese bleiben dem Online-Dater von heute erspart, so die Logik. Das Treffen im realen Leben steht immer bevor und dort gelten wieder die gleichen Regeln, wie beim Flirten in Alltagssituationen oder Bars.
Psychische Veränderung durch Dating Apps
Auch simulieren die Dating-Apps seinem Nutzer bereits eine große Auswahl von potentiellen Partnerschaften in der Tasche zu haben. Matches werden wie Trophäen mit sich herum getragen. Prahlten Männer noch vor einem Jahrzehnt mit den Handynummern von schönen Frauen sind es jetzt nicht mal mehr Whatsapp-Bildchen, die stolz am Stammtisch präsentiert werden. Meist wird sich gebrüstet mit Tinder-Eroberungen, die noch gar keine sind und höchst wahrscheinlich nie den Weg ins Bett des Tinderillos finden werden.
Das Chatten hat einen großen Teil des klassischen Kennenlernens ersetzt. Viele Menschen – jung, wie alt – fühlen sich tagtäglich mit der Flut an Chatverläufen überfordert. Bei der Flirt University helfen wir diesen Menschen mit Chat-Analysen, Chancen-Einschätzungen und Tipps für die nächste Nachricht, damit es unter den online Flirtenden zum realen Treffen kommt.
Tinder Dates führen erstaunlich oft zu Sex und enden erstaunlich selten in festen Beziehungen. Anstatt sich nach einigen Treffen für die gemachte Person zu entscheiden und einen gemeinsamen Schritt zu wagen, beschließen wir nach dem ersten Date doch wieder neue Leute kennen zu lernen, ohne uns fest zulegen. So verunsichern sich die Geschlechter gegenseitig.
Weiter geht es in Teil 2:
Warum der Single Lifestyle angesagt ist!
Quellen:
Elite Daily.com vom 09. September 2014
Naturalnumbersgame.com vom 06. Juli 2013
Augsburger Allgemeine.de vom 12. Juni 2012
Grin.com vom Jahre 2012